KEINE INDUSTRIEPOLITIK, SONDERN MARKT UND WETTBEWERB!
In den letzten Jahren ist immer wieder über den so genannten Markenkern der CDU debattiert worden, wenn es um den gesellschaftspolitischen Kurs der Partei ging. Man könnte daher etwas verwundert sein, dass sich in der CDU die Sprache und Positionen bei wirtschafts- und wettbewerbspolitischen Themen in Richtung Staatsintervention substanziell verändern, ohne dass die Frage nach der sozialen Marktwirtschaft als dem ordnungspolitischen Markenkern der CDU gestellt wird.
Vom Markt als Ordnungsrahmen, in dem sich nicht nur die kleinen und mittleren, sondern auch die großen Unternehmen zu bewähren haben, ist in der aktuellen wettbewerbspolitischen Debatte nicht viel die Rede. Wettbewerb ist ein anstrengendes Prinzip und es verleiht keine Existenzgarantien. Aber für eine gesunde Volkswirtschaft und die Gesellschaft insgesamt bilden Markt und Wettbewerb das Erfolgsmodell schlechthin. Die Hybris, die in staatlicher Protektionspolitik liegt, hingegen befördert wirtschaftliche Ineffizienz. Das ist der Grundsatz – Ausnahmen hat es in der sozialen Marktwirtschaft immer gegeben. Aber jetzt haben ganz andere Töne Konjunktur: Größe zählt und ist schützenswert, der Staat hat höhere Einsicht als der Markt. Das war immer das Credo französischer Wirtschaftspolitik und ist seit langem das Grundproblem der Wirtschaft Frankreichs.
Markt und Wettbewerb sind als Innovationstreiber nicht nur ungeschlagen. Wir leben außerdem in einem Zeitalter disruptiver technologischer Entwicklungen. Wie kann, angesichts dieser rasanten Entwicklungen, der Staat dann heute die Wirtschaft des Jahres 2030 prognostizieren und antizipieren?
Die Industriestrategie 2030 deutet daher insgesamt einen Kurswechsel an und eine Abkehr von dem erfolgserprobten wirtschaftspolitischen Markenkern der CDU. Parteipolitisch wäre eine solche Kurskorrektur entgegen dem absoluten ordnungspolitischen Kern und gegen jede praktische Einsicht höchst gefährlich.
Gerade in der Wirtschaftspolitik sind Sprache und Psychologie entscheidend. Es geht auch um konkretes staatliches Handeln wie jüngst bei dem Fusionsverbot der Zugsparten von Siemens und Alstom durch die EU-Kommission. Auffällig war, dass sich die Kritik an der Entscheidung im Wesentlichen auf die Feststellung konzentrierte, das Verbot sei die Entstehung eines europäischen Champions verhindert worden. Die Begründung der EU-Kommissarin Margrethe Vestager, die keine Christdemokratin ist, lautet dagegen klassisch wettbewerbspolitisch: Die Fusion hätte zu einer marktbeherrschenden Stellung auf einem funktionierenden Markt geführt. Zuviel Macht eines einzelnen Unternehmens zerstört den Markt und führt regelmäßig zu erheblichen volkswirtschaftlichen Nachteilen und höheren Kosten für die Verbraucher. Muss dieses Ergebnis nun zugunsten staatlicher Eingriffsmöglichkeiten durch eine Änderung der EU-Wettbewerbsregeln korrigiert werden, wie dies von deutscher und französischer Seite gefordert wurde? Das Argument der Befürworter hierfür lautet: Wir müssen uns gegen große, staatlich subventionierte chinesische Wettbewerber rüsten.
Ich plädiere entschieden für Wehrhaftigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft. Genauso entschieden glaube ich, dass der chinesische Ansatz von Größe und Protektion uns Europäer nicht stark, sondern schwächer machen wird. Wettbewerb und Wettbewerbsfähigkeit sind europäische Tugenden und Kompetenzen, die uns gerade gegenüber China einen Vorteil verschaffen. Damit die Offenheit der EU nicht einseitig missbraucht wird, müssen die Europäer im Rahmen der WTO entschieden gegen die WTO-widrige staatliche Subventionspolitik Chinas im internationalen Handel vorgehen. Wir sollten hier den engen Schulterschluss vor allem mit den Vereinigten Staaten und Japan suchen. Wir sollten ferner dort, wo Europa noch technologisch und wirtschaftlich die Möglichkeiten hat, zu wachsen, China den Platz nicht überlassen. Konkret heißt das: Anstatt auf ausländische Netzwerkausrüster zu setzen, besteht die Möglichkeit einer europäischen Lösung für den Aufbau des neuen 5G Mobilfunknetzes. Das könnte teurer werden und länger dauern, ist aber vermutlich Europas letzte Chance auf diesem Gebiet. Es ist darum nicht nur sicherheitspolitisch ohnehin nahezu zwingend, sondern auch technologie- und wirtschaftspolitisch geboten, diese Chance trotz kurzfristiger wirtschaftlicher Nachteile zu ergreifen.
China ist die eigentliche und zugleich umfassende Herausforderung des demokratischen Westens: technologisch-wirtschaftlich, machtpolitisch, ideologisch. Wir als Europäer haben nur eine Chance, diese Herausforderung zu bestehen, wenn wir im Denken und Handeln europäisch bleiben, anstatt die Praktiken unserer Herausforderer zu imitieren.
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