Von Markus Decker
Herr Röttgen, seit gestern ist klar: Der nächste US-Präsident könnte Donald Trump heißen. Müssen wir uns Sorgen machen?
Ja. Es wird Zeit, dass wir unsere europäische Brille ablegen, nach der Trump schon in der Republikanischen Partei nie eine Chance haben könnte. Seit gestern ist klar, dass es eher wahrscheinlich ist, dass er der Kandidat der Republikanischen Partei wird. Und er kann damit auch Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden. Darüber müssen wir höchst besorgt sein.
Warum genau müssen wir besorgt sein?
Trumps Persönlichkeit besteht aus Maßlosigkeit, Respektlosigkeit und Selbstbezüglichkeit. Seine Mittel, mit denen er Mehrheiten erwirbt, sind das Erzeugen von Angst, Wut und Hass. Außerdem befürwortet er Fremdenfeindlichkeit und Folter. So kann man der Verantwortung, die die USA in der Welt haben, in keiner Weise gerecht werden.
Hat er denn so etwas wie ein außenpolitisches Programm?
Nein. Und das ist bezeichnend. Trump ist in jeder Hinsicht völlig unerfahren. Es gibt überhaupt kein Programm. Außenpolitik spielt bei seiner Methode, die Mehrheit zu gewinnen, auch gar keine Rolle. Und nur darum geht es im Moment. Seine Einschätzung ist: Wenn ich die Ängste der Menschen ausdrücke und mir ihre Wut zu Eigen mache, dann ist das der Weg zur Mehrheit.
Haben Sie ein Gefühl dafür, was Trump von dem, was er so redet, tatsächlich umsetzen würde?
Trump ist in seiner Amtsführung nicht berechenbar. Aber man sollte ihn ernst nehmen – sozusagen sicherheitshalber. Und man sollte die Unterschätzung seiner Person nicht dadurch fortsetzen, dass man sagt, er wird es ja sowieso nicht machen. Das widerspricht übrigens auch jeder historischen Erfahrung mit solchen Menschen. Wenn er Präsident würde, dann würde er zudem auf eine Mehrheit der Republikaner in beiden Häusern des Kongresses treffen. Insofern hätte er erstmal eine exzellente Machtposition, um sich durchzusetzen.
Wo sehen Sie historische Vorläufer?
Man kann das nicht konkret zu irgendjemandem in Bezug setzen. Aber es gibt historische Erfahrungen mit Politikern, die sich außerhalb des Establishments aufgehalten haben und mit einer konsequenten Anti-Politik und der Instrumentalisierung von Ängsten und Wut Erfolg hatten.
Mit Trump setzt sich ein Politikstil durch, der auch in Europa immer mehr an Boden gewinnt: der Populismus. Wie erklären Sie sich das?
Ja, das ist unbestreitbar ein Phänomen in der ganzen westlichen Welt und offenkundig eine Gegenbewegung zur Globalisierung, die neue Ungleichheit schafft und ein neues Gefühl der Machtlosigkeit des einzelnen, sowie ein Identitätsbedürfnis weckt. Das sind die wesentlichen Ursachen. Diese Gegenbewegung hat den Gedanken aufgegeben, etwas verändern zu können. Sie erschöpft sich in der Wut. Dabei ist die Angstmache vor Fremden umso erfolgreicher dort, wo es wenige Fremde gibt. Es geht im Kern um die Abwehr der Globalisierung als einem relativ umfassenden Entgrenzungsprozess.
Und die USA sind der Vorreiter?
Viele Phänomene waren zuerst in den USA und sind dann auf Europa zurück geschlagen. Auch das sollte uns eine Lehre sein darüber, was noch bevorstehen könnte. Wir haben eine Entwicklung hin zu den Extremen auf der linken und der rechten Seite, die sich dann auch wieder treffen und gar nicht groß unterscheiden.
Es gilt als unstatthaft, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Demokratien einzumischen, zumal vor Wahlen. Kann und muss man im Fall Trump eine Ausnahme machen?
Die Wahl des amerikanischen Präsidenten ist keine rein innerstaatliche Angelegenheit. Der amerikanische Präsident führt nicht nur die mächtigste Demokratie, sondern das mächtigste Land der Erde. Mit dem Amt des Präsidenten, das eine enorme Machtfülle in der amerikanischen Verfassung hat, ist darum eine weltweite Verantwortung untrennbar verbunden. Deshalb kann man in Europa nicht schweigen, wenn sich in den USA eine wirklich Besorgnis erregende Entwicklung zeigt.
Das Gespräch führte Markus Decker.
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