Berliner Zeitung: "Trump ist völlig ungeeignet für das Präsidenten-Amt"

06.11.2016

Wenn ein US-Präsident gewählt wird, betrifft dies - von den Folgen her betrachtet - die ganze Welt. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, analysiert, was eine Präsidentin Hillary Clinton und was ein Präsident Donald Trump für die Welt bedeuten würden.

Barack Obama wurde bei seiner Wahl vor acht Jahren von vielen wie ein Messias gefeiert. Wie bewerten Sie seine tatsächliche Außenpolitik?

 

Überwiegend positiv – wenn auch mit einer bedeutenden Ausnahme. Zunächst zähle ich es auch zu seiner außenpolitischen Hinterlassenschaft, dass wir Europäer ihn vermissen werden: wegen seines Stils, wegen seiner Sprache und wegen seines Versöhnungsanspruchs. Gelungen ist ihm das Iran-Abkommen, weil es für zehn bis 15 Jahre die Gefahr eines militärischen Konfliktes beseitigt hat. Sehr positiv ist auch, dass Obama dem Drängen aus dem US-Kongress widerstanden hat, die Ukraine mit Waffen auszustatten. Das hätte den Westen gespalten und Putin im eigenen Land nur zusätzliche Unterstützung verschafft.

 

Und die negative Ausnahme?

 

Die Summe aus dem maximalen Interventionismus von George W. Bush und dem darauf folgenden Minimalismus von Obama im Nahen Osten hat zu dem Chaos dort erheblich beigetragen.

 

Welchen Unterschied macht es für die künftige Außenpolitik der Vereinigten Staaten, ob Hillary Clinton oder Donald Trump die Präsidentschaftswahl gewinnt?

 

Es macht einen himmelweiten Unterschied. Im Fall von Clintons Wahl würden ein erfahrenes Team und eine pro-europäische Präsidentin in berechenbaren Bahnen amerikanischer Außenpolitik den Schulterschluss mit Europa und besonders mit Deutschland suchen.

 

Und im Fall eines Sieges von Donald Trump?

 

Bei Trump ist das Günstigste, was man sagen kann, dass man noch nichts sagen kann. Seine Außenpolitik ist eine Blackbox – sowohl was seine Programmatik als auch was sein Personal anbelangt. Diese Einschätzung verschlechtert sich noch dadurch, dass Trumps Charakter sichtbar geworden ist. Er hat sich als völlig ungeeignet dafür gezeigt, das mächtigste und wichtigste politische Amt der Welt auszuüben. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was unter einem Präsidenten Trump alles passieren könnte. Dass die Wahl Trumps zur schlimmsten Entfremdung zwischen Amerika und Europa mindestens seit dem Vietnamkrieg führen würde, ist da fast schon der geringste Schaden.

 

Trump meint, er könne viele Probleme lösen, indem er sich mal von Mann zu Mann mit Putin zusammensetzt und ein paar Dinge klärt.

 

Das zeigt, dass sich Donald Trump mit Außenpolitik noch nicht einen Tag beschäftigt hat. Gleichzeitig hat er ein überbordendes Selbstbewusstsein. Diese Kombination macht ihn so gefährlich.

 

Als wahrscheinlicher gilt noch immer Clintons Sieg. Was würde sie in der Außenpolitik von Obama unterscheiden?

 

Clinton hat als Außenministerin und auch in der Zeit danach immer mal wieder für eine härtere Gangart plädiert, als Präsident Obama sie ausgeübt hat. Dessen Außenpolitik war vielfach von einer extremen Risikoaversion geprägt. Das Pendel, das unter Bush extrem zur einen Seite und unter Obama stark zur anderen Seite ausgeschlagen ist, würde sich unter Clinton mehr zur Mitte bewegen.

 

Egal, wer künftig in den USA regiert: Ist es am Ende nicht so, dass sie oder er verlangen wird, dass Europa sich stärker selbst für die eigene Sicherheit engagieren muss?

 

Absolut. Von Clinton wird man niemals solche Auswüchse erleben wie bei Trump, der schon mal eben nebenbei die Nato infrage stellt. Doch sie steht vor kräftezehrenden Aufgaben in der Innenpolitik. Sie muss sich mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen befassen, die das Phänomen Trump möglich gemacht haben. Auch Clinton fordert, dass die Europäer selbst mehr für ihre Sicherheit leisten müssen. Wir müssen also eigenständiger werden.

 

Ist Europa darauf vorbereitet?

 

Wir sind da in einem sehr langsamen Entwicklungsprozess – und sollten folglich das Tempo deutlich erhöhen. Die US-Regierung in Washington sieht Deutschland als Ansprechpartner Nummer eins, an den es seine Erwartungen adressiert. Die Bundesregierung ist also gefordert, die Europäer auf dem Weg hin zu mehr Eigenverantwortung zusammenzuführen. Clinton und Merkel könnten eine neue transatlantische Geschlossenheit und Entschlossenheit verkörpern.

 

Und wenn wir nach der Wahlnacht aufwachen – und auf einmal doch Donald Trump gewonnen hat?

 

Dann würde ich – mehr noch als beim Brexit – sagen: „Das darf doch nicht wahr sein.“ Die Welt sähe vollkommen anders aus. Wir müssten beginnen herauszufinden, wie man damit umgehen kann. Auf so eine Situation kann man sich gar nicht vorbereiten.

 

http://www.berliner-zeitung.de/politik/norbert-roettgen--trump-ist-voellig-ungeeignet-fuer-das-praesidenten-amt--25041490